Artists in the Parish

Die Künstlerresidenzen “Artist-in-the-Parish” wurden vom 34. Deutschen Evangelischen Kirchentag
in Hamburg ausgeschrieben.

Jury:
Dr. Ulrike Murmann-Knuth, Hauptpastorin St. Katharinen (Vorsitzende); Dr. Brigitte Kölle, Galerie der Gegenwart, Hamburg; Prof. Dr. Gerhard Robbers; Präsident des 34. DEKT; Claus Mewes, Kunsthaus Hamburg e.V.; Christine Ebeling, Vorstand Gängeviertel e.V.; Karin Günther, Galeristin in Hamburg;
Prof. Dr. Hans-Martin Gutmann, Universität Hamburg

In der Kunst von Renate Schürmeyer ist die Erinnerung ein großes Thema. Mit unterschiedlichen Objekten, die Geschichten erzählen und Vergangenes sichtbar machen, nähert sich Renate Schürmeyer dem Erinnern. Seit Herbst 2008 beschäftigt sie sich mit der Thematik der ehemaligen innerdeutschen respektiv deutsch-deutschen Grenze. Was wird erinnert, was wird gelöscht? Was wird korrigiert oder einem langsamen Verfall preisgegeben? Kann gegen die Verfallszeit von Erinnerung gearbeitet werden?
Die Arbeiten von Renate Schürmeyer erwecken einen Erinnerungsstrom, den sie nicht wertet, sondern dem sie Raum gibt.
Dr. Sylvina Zander

Erfahrungsbericht:

Vor den Aufenthalten in den Kirchengemeinden
Brüssow in Brandenburg, Benz auf Usedom und Hamburg-Hamm hatte ich eine Karte mit den Fragen: Was erinnern wir? Was erzählen wir von der deutschen Teilung? Wofür leben wir heute? Was ist Glück? zur Verteilung angeboten.

Brüssow in Brandenburg, 20 km von Stettin entfernt. Nach der Wende 89 ist alles weggebrochen. Die LPG, der einzige Arbeitgeber der Region, wurde durch die Treuhand abgewickelt. Keine blühenden Landschaften, wie sie einst versprochen wurden, sind hier entstanden. Die Jugend wandert ab, es gibt kaum Ausbildungs- und Arbeitsplätze. In der kleinsten Stadt der Uckermark falle ich als Fremde mit Fotoapparat auf. Es ist leicht, Kontakte in der Bäckerei zu knüpfen.

„... als es spannend wurde, als es richtig abging, da hat man mir die DDR weggenommen.“

„Die Kirche kam nicht vor, das hat man vergessen uns zu erklären. Wenn wir nicht eine im Dorf, indem ich aufwuchs, gehabt hätten, hätte ich es nicht gewusst, dass es Kirchen gibt.“

„Die meisten sagen, früher war es besser. Manche wünschen sich die DDR zurück, doch so hätten wir es nicht hinbekommen, wie es heute aussieht.“

Benz auf Usedom, angekommen in einer wunderbaren Dorfkirche. Die Deckenmalerei, von einem Stettiner Handwerkermeisterbetrieb zu Beginn des 20. Jahrhunderts gemalt, vermittelt mir Frieden. Schnee hindert mich, Menschen zufällig auf der Straße, im Vorgarten zu treffen. Ich lerne Martin Bartels, Initiator des Benzer Kultursommers, kennen. Die Gespräche mit ihm, seine Aussagen, „... mir als Pastor hat es Spaß gemacht, Veranstaltungen zu organisieren, die gegen eine Militarisierung waren. Wir haben an einen besseren Sozialismus geglaubt.“, bestätigen mich darin, dass diese Geschichten nicht vergessen werden dürfen. Ich lege sie auf die Gestühllehnen der Kirchenbänke. Touristen kommen, gehen von Bank zu Bank, lesen. Ich bin gespannt auf den diesjährigen Kultursommer mit meinen Fragmenttafeln.

"Die Demokratie und die Freiheit, dass man die heute hat, das überwiegt alles. Wie man sie füllt, ist noch was anderes."

„Weil ich jetzt sagen kann, was ich will, weil ich nicht heucheln oder lügen muss, weil ich heute das Wort Russe gebrauchen darf,.... ich kann tun und lassen, was ich will, wenn ich keinem anderen schade... hier im Dorf sind alle freundlich, wie immer."

Hamburg-Hamm „Wie kommt Glück mit Grenzen zusammen? Wie bekommen wir für Frau Schürmeyer viele Gespräche mit Gemeindemitgliedern?“ Meine Zeit ist strukturiert. Mein Atelier ist in der Dreifaltigkeitskirche. Ich fühle mich klein in dieser modernen großen Kirche, lerne den Rhythmus dieses Gebäudes kennen. Mittags um 12.00 Uhr läuten die evangelischen und die katholischen Glocken der Nachbarkirche „ökumenisch“. Alles ist in Hamburg anders. Konfirmanden wie auch Schulklassen der Wichernschule erkläre ich meine künstlerische Arbeit. Was bedeuten Grenzen heute, was wissen die Jugendlichen von der deutschen Teilung? Die Antworten sind spannend. „Hat Deutschland Grenzen?“ Immer wieder wird von der Angst und auch der Schikane der Grenzkontrollen, wenn man durch oder in die DDR reiste, erzählt. Grenzen können auch positiv sein. Viele Gemeindemitglieder suchen das Gespräch mit mir, erzählen ihre Erinnerungen, als ob sie schon lange darauf gewartet hätten.

Der Kulturraum Kirche wird durch mein befristetes Atelier anders aufgeladen. Den Besuchern des Kirchentages biete ich die Möglichkeit, Erinnerungen weiter zu schreiben. Immer mehr Karten finden den Weg zu mir zurück.