Fragmente

Zitate von Zeitzeugen, Transparentpapier, Malerei/Monotypie auf Papier, vielteilig, je 17 x 11,5 cm, 2010

...die Tafeln sind wie Kirchengesangsbücher auf den Gestühllehnen aufgestellt. Etlichen der Tafeln sind Zitate in einer Schreibmaschinentype aufgedruckt: Es handelt sich jeweils um einen besonders markanten Satz aus den Zeitzeugeninterviews, die Renate Schürmeyer mit Menschen in Tarnewitz geführt hat. Sie erinnern sich. Und deutlich wird, dass es unterschiedliche Erinnerungen und unterschiedliche Wahrheiten gibt. Tarnewitz erscheint in den Zitaten als Ort der Bewachung "Der gesamte Strand wurde in regelmäßigen Abständen nachts von Redewisch bis Tarnewitz ausgeleuchtet", als Ort der Einschränkung "Der Schiffsverkehr ist nach 1961 eingestellt worden ... die gesamte Bootsvermietung wurde eingestellt", als Ort des Misstrauens "Im Dunkeln an den Strand zu gehen, da war man schon aufgefallen", des Umganges mit diesen Bedingungen "erst einmal mitmachen, so gut es geht, dann weitersehen, und zur Not den Mund halten; keine Aufmerksamkeit erregen" und schließlich von der Flucht "ich kann das verstehen“ – „ich kann das nicht verstehen".
Renate Schürmeyer wertet die Aussagen nicht, sie stehen jeweils isoliert, vermitteln beim Lesenden ein Gefühl und tragen schließlich, indem über das Erfahrene gesprochen wird, dazu bei, dass sich in der Erzählung herausschält, was und wie diese historische Periode in Tarnewitz erinnert werden wird. Die unbeschrifteten Tafeln stehen für die Erfahrungen, die die Tarnewitzer heute mit ihrem Ort machen; sie warten darauf, beschrieben und mit Erinnerung besetzt zu werden.

aus der Eröffnungsrede am 30.10 2010; Dr. Sylvina Zander, Lübeck