Im August 2008 wurde ich von dem Rostocker
Künstler Wanja Tolko und Miro Zahra vom Mecklenburg-ischen
Künstlerhaus Schloss Plüschow zu dem Kunstprojekt
Grenzraum 09/10 eingeladen. 20 Jahre nach Mauerfall bietet
dieses Kunstprojekt die Chance, erstmalig in Mecklenburg-Vorpommern,
mit künstlerischen Mitteln die Themen Grenze, Teilung
und Sperrgebiet für eine breite Öffentlichkeit
zu erschließen.
Auch nach fast 20 Jahren Grenzöffnung
ist das Leben noch geprägt von der nicht mehr existierenden
Grenze. Gespräche mit noch dort im ehemaligen Sperrgebiet
lebenden Zeitzeugen machten mir dies deutlich. Spontan gesagte
Sätze beschreiben sehr bildhaft die damalige Lebenssituation.
Am Ratzeburger See erzählte eine Frau:
"Wir konnten das Wasser des Sees riechen, aber wir
kamen nicht hin." Diese sehr persönlichen Eindrücke
und Gefühle wollte ich sichtbar werden lassen. Als
künstlerisches Konzept entstand die Idee persönliche
Kleidungsstücke, die wärmen und schützen
sollen, die der eigenen Haut am nächsten sind, in Beton
erstarren zu lassen. Ihrer Funktion des Getragenwerdens
beraubt, jedoch noch geringe Spuren des Gebrauches zeigend,
strahlen sie Abwehr, Lähmung und Distanz aus. Zitate
aus den geführten Gesprächen ordne ich dieser
versteiften Kleidung zu.
Je öfter ich seit Herbst 2008 mit
Menschen beiderseits der ehemaligen Grenze Gespräche
führte und dabei meine Arbeit vorstellte, desto bewusster
wurde mir, der Grenzraum befand sich damals nicht nur auf
der Ostseite.
Über meine eigene Zeit in Westdeutschland reflektierte
ich plötzlich anders. In meiner Schulzeit hatte ich
nur wenig über die DDR erfahren. Ich kann mich nicht
daran erinnern, inwieweit ich z.B. Ortsnamen in Mecklenburg
gekannt habe. In Lübeck wiesen die Schilder auch nur
die Grenzübergangsstelle aus, dahinter schien es nichts
mehr zu geben, da war die Welt zu Ende. Viele, auch im Westen,
haben mir von ihrer Angst an der Grenze berichtet.
Dies war für mich Anlass über eine Erweiterung
meiner Arbeit für die Grenzdokumentations-Stätte
in Lübeck-Schlutup nachzudenken. Angst, Unwissenheit,
Wegschauen lässt Menschen in ihrem Denken unbeweglich
werden. Ich kam für mich zu dem Schluss, dass ich in
fast gleicher Weise Westkleidung der Zeit erstarren lassen
werde und Zitate von Zeitzeugen des "Raumes" Lübeck
dieser zuordnen werde.