Grenzraum 09/10 Kunstprojekt im ehemaligen innerdeutschen Grenzgebiet

Erstarrung

Kleidung, Zement, Eisen, Zitate von Zeitzeugen, 2009

Im August 2008 wurde ich von dem Rostocker Künstler Wanja Tolko und Miro Zahra vom Mecklenburg-ischen Künstlerhaus Schloss Plüschow zu dem Kunstprojekt Grenzraum 09/10 eingeladen. 20 Jahre nach Mauerfall bietet dieses Kunstprojekt die Chance, erstmalig in Mecklenburg-Vorpommern, mit künstlerischen Mitteln die Themen Grenze, Teilung und Sperrgebiet für eine breite Öffentlichkeit zu erschließen.

Auch nach fast 20 Jahren Grenzöffnung ist das Leben noch geprägt von der nicht mehr existierenden Grenze. Gespräche mit noch dort im ehemaligen Sperrgebiet lebenden Zeitzeugen machten mir dies deutlich. Spontan gesagte Sätze beschreiben sehr bildhaft die damalige Lebenssituation.

Am Ratzeburger See erzählte eine Frau: "Wir konnten das Wasser des Sees riechen, aber wir kamen nicht hin." Diese sehr persönlichen Eindrücke und Gefühle wollte ich sichtbar werden lassen. Als künstlerisches Konzept entstand die Idee persönliche Kleidungsstücke, die wärmen und schützen sollen, die der eigenen Haut am nächsten sind, in Beton erstarren zu lassen. Ihrer Funktion des Getragenwerdens beraubt, jedoch noch geringe Spuren des Gebrauches zeigend, strahlen sie Abwehr, Lähmung und Distanz aus. Zitate aus den geführten Gesprächen ordne ich dieser versteiften Kleidung zu.

Je öfter ich seit Herbst 2008 mit Menschen beiderseits der ehemaligen Grenze Gespräche führte und dabei meine Arbeit vorstellte, desto bewusster wurde mir, der Grenzraum befand sich damals nicht nur auf der Ostseite.

Über meine eigene Zeit in Westdeutschland reflektierte ich plötzlich anders. In meiner Schulzeit hatte ich nur wenig über die DDR erfahren. Ich kann mich nicht daran erinnern, inwieweit ich z.B. Ortsnamen in Mecklenburg gekannt habe. In Lübeck wiesen die Schilder auch nur die Grenzübergangsstelle aus, dahinter schien es nichts mehr zu geben, da war die Welt zu Ende. Viele, auch im Westen, haben mir von ihrer Angst an der Grenze berichtet.

Dies war für mich Anlass über eine Erweiterung meiner Arbeit für die Grenzdokumentations-Stätte in Lübeck-Schlutup nachzudenken. Angst, Unwissenheit, Wegschauen lässt Menschen in ihrem Denken unbeweglich werden. Ich kam für mich zu dem Schluss, dass ich in fast gleicher Weise Westkleidung der Zeit erstarren lassen werde und Zitate von Zeitzeugen des "Raumes" Lübeck dieser zuordnen werde.